TierversuchsKriterien-Verordnung

Tierschutzverein Klosterneuburg Wien-Umgebung ZVR Nr. 950490616 Tierschutzverein Rettungsring Tierhilfe Österreich ZVR Nr. 372000908 Stellungnahme zum Entwurf der Verordnung des Bundesministers für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft zur Festlegung eines Kriterienkataloges zur Objektivierung der Schaden-Nutzen-Analyse (TierversuchsKriterienkatalog-Verordnung – TVKKV) Wir beehren uns folgende Stellungnahme zur geplanten Verordnung vorzulegen: A. Allgemeines Die Vorgangsweise des Ministeriums bei der Ausarbeitung des VO Entwurfes erschüttert unser Vertrauen in den Rechtsstaat sehr: 1. Warum arbeitete ein wissenschaftliches Team im Auftrag des Ministeriums 3 Jahre lang an einem Kriterienkatalog für die Schaden-Nutzen-Analyse, dabei wurden zahllose ExptertInnen mit einbezogen, 13 Workshops abgehalten, sechsstellige Beträge an Fördergeldern (Steuergelder) aufgewendet – nur, um letztlich sämtliche inhaltlichen Vorarbeiten zu missachten und einen Verordnungsentwurf vorzulegen, der nur eines erreichen würde: dass es auch in Zukunft keinerlei ernsthafte Analyse des Schadens oder Nutzens eines Tierversuchs geben wird. 2. Angesichts der Tatsache, dass das Messerl-Institut für das Ministerium einen ausführlichen Katalog nach wissenschaftlichen Kriterien erarbeitet hat, sollte auch dieser zur Begutachtung mit den Erläuterungen zur Verordnung ausgegeben werden. Ansonsten wäre die Befassung des Messerli-Instituts reine Verschwendung von Steuergeld gewesen. 3. Warum steigt die Zahl der Tierversuche jedes Jahr, obwohl bereits jetzt ein großer Teil der Tierversuche durch alternative Forschungsmethoden ersetzt werden kann, bzw. überhaupt unsinnig ist. Trotz unzähliger falscher, auf die Menschen nicht übertragbarer und zum Teil sogar für die Menschen lebensbedrohlicher Ergebnisse – viele Medikamente, auch aufgrund von Tierversuchen zugelassen, mussten verboten werden - hält aber die Wissenschaft und die Industrie weiter daran fest? Es kommt daher der Verdacht auf, dass viele der Tierversuche nur deshalb vom Gesetzgeber gefordert werden, da diese einen staatlich verordneten Schutz der gewinnorientierten Industrie vor Regressansprüchen von geschädigten Personen darstellen, siehe Contergan. Außerdem ist die Mehrzahl der Tierversuche für die betroffenen Tiere grausam und qualvoll und ethisch durch nichts mehr zu rechtfertigen. 4. Der Entwurf zeigt, dass die Politik vollständig von der ausufernden Marktwirtschaft gelenkt wird und entgegen dem Wunsch der Bevölkerung den Schutz der Tiere und der Umwelt vollständig ignoriert. Sogar die Europäische Union hat erkannt, dass das Wohlergehen der Tiere als fühlende Wesen bei der Festlegung und Durchführung der Politik in vollem Umfang zu berücksichtigen ist. Dies ist im Artikel 13 des Vertrages über die Arbeitsweise der Union festgehalten (Lissabon Abkommen). • Der am 1. Dezember 2009 in Kraft getretene Vertrag von Lissabon ändert die geltenden Gründungsverträge, d. h. den Vertrag über die Europäische Union (EU Vertrag), der seinen Namen behält, und den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG-Vertrag), der in Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) umbenannt wird. In Titel II AEUV sind einige Grundsätze festgelegt, die die Europäische Union einhalten sollte. Mit dem Vertrag von Lissabon wurde unter diesem Titel ein Artikel 13 mit folgendem Wortlaut eingefügt: "Bei der Festlegung und Durchführung der Politik der Union in den Bereichen Landwirtschaft, Fischerei, Verkehr, Binnenmarkt, Forschung, technologische Entwicklung und Raumfahrt tragen die Union und die Mitgliedstaaten den Erfordernissen des Wohlergehens der Tiere als fühlende Wesen in vollem Umfang Rechnung; sie berücksichtigen hierbei die Rechts- und Verwaltungsvorschriften und die Gepflogenheiten der Mitgliedstaaten insbesondere in Bezug auf religiöse Riten, kulturelle Traditionen und das regionale Erbe." Für ein Kulturvolk wie Österreich wäre es daher wünschenswert, das sich der Staat bei der Festlegung und Durchführung der Politik auch zumindest an diese Grundsätze hält. 5. In Österreich laufen Tierversuche völlig unkontrolliert ab. Es gibt in Österreich keine Kommissionen mit Mitgliedern aus dem Tierschutz, die mehrheitlich über alle Tierversuchsanträge entscheiden, wie in den meisten anderen Ländern. Die sogenannten „Ethikkommissionen“ der einzelnen Universitäten sind gesetzlich nicht vorgesehen und nur mit TierexperimentatorInnen selbst besetzt. TierschützerInnen sind dabei nicht erwünscht. B. Änderungsvorschläge und Stellungnahme 1. § 2 Abs 2: streichen § 2. (2) Die Kapitel 2 und 3 des Kriterienkatalogs der Anlage sind nicht auszufüllen, wenn die Frage 1.3 mit der ersten Antwortoption zu beantworten ist. Begründung: Der Verordnungsentwurf entspricht nicht dem Auftrag des Tierversuchsgesetzes und den Anforderungen der EU-Richtlinie. Im Gegenteil, er sieht im Unterschied zur Richtlinie vor, dass „regulatorische Tierversuche“ (also solche, die für die Marktzulassen bestimmter Produkte vorgeschrieben sind) von der Schaden-Nutzen-Analyse ausgenommen sind. Damit wird versucht, Tierversuch und das dadurch entstehende Tierleid, selbst für das unsinnigste Produkt generell, zu Gunsten der profitorientierten Industrie, von einer Bewertung auszuklammern. Außerdem stellt diese Abweichung von der EU Richtlinie eine EU Vertragsverletzung dar. Ein Vertragsverletzungsverfahren bedeutet in der Folge eine unnütze Verschwendung von Steuergeldern, das dadurch entstehende größere Budgetdefizit muss dann von den Bürgern wieder durch Steuererhöhungen ausgeglichen werden. Aufgrund von vorliegenden Stellungnahmen von Experten ist auch zu ersehen, „dass Tierschutz Grundrechte der AntragstellerInnen für Tierversuche einschränken kann. Unabhängig von seiner verfassungsrechtlichen Verankerung bildet der Tierschutz aber auch als ein in der einfachen Gesetzgebung (nicht nur im Tierversuchsrecht) verankertes Rechtsgut ein legitimes öffentliches Interesse, das eine Einschränkung von Grundrechtspositionen rechtfertigt. Dies gilt jedenfalls für die Erwerbsfreiheit, die verfassungsrechtlich von vorneherein nur unter dem Vorbehalt des Gesetzes garantiert ist, und die der Gesetzgeber daher unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit im Interesse des Tierschutzes einschränken kann. Auch die ohne ausdrücklichen Gesetzesvorbehalt garantierte Freiheit der Wissenschaft ist aber nach einhelliger Lehre und Rechtsprechung nicht schrankenlos, sondern nur im Rahmen sog. „immanenter Gewährleistungsschranken“ garantiert. Danach rechtfertigen die von der Rechtsordnung auch sonst geschützten Rechtsgüter, wie etwa der Tierschutz, auch eine Beschränkung der „absolut“, also „vorbehaltslos“ gewährleisteten Forschungsfreiheit.“ 2. Der Kriterienkatalog ist in dieser Form nicht annehmbar Begründung: Die Einführung eines Kriterienkataloges erfolgt in Umsetzung von Art. 38 Abs. 2 lit. d der TierversuchsRichtlinie 2010/63/EU, wonach eine Schaden-Nutzen-Analyse für Projekte vorgesehen ist. Im Rahmen solcher Schaden-Nutzen-Analysen soll bewertet werden, ob die Schäden für die Tiere in Form von Leiden, Schmerzen und Ängsten unter Berücksichtigung ethischer Erwägungen durch das erwartete Ergebnis gerechtfertigt sind und letztlich Menschen, Tieren oder der Umwelt zugutekommen können. Außerdem ist nach Art. 38 Abs. 4 der Tierversuchs-Richtlinie 2010/63/EU auf die Transparenz des Verfahrens der Projektbeurteilung zu achten. Der Kriterienkatalog muss daher gemäß Tierversuchsgesetz und die EU Richtlinie 2010/63 eine objektiv nachvollziehbare Entscheidung über die Schaden-Nutzen Abwägung auf ethischer Grundlage ermöglichen. Eine Schaden-Nutzen-Analyse ist aber nur dann objektiv verwertbar, wenn fundierte Kriterien für eine numerische Bewertung des Nutzens bzw. des Schadens eines Tierversuchs vorliegen. Der vorgelegte Entwurf, verfehlt aber diese Anforderung, ist weder wissenschaftlich fundiert, noch objektivierbar oder nachvollziehbar. Ohne eine numerische Bewertung der Antworten auf die Fragen im Kriterienkatalog und einen nachvollziehbaren Berechnungsschlüssel kann es aber keine einheitliche Rechtsanwendung bei Projektanträgen in Österreich geben. Ein und derselbe Antrag wird dann von verschiedenen Beamten unterschiedlich bewertet werden, der Willkür ist dadurch Tür und Tor geöffnet. Der vorliegende Kriterienkatalog unterscheidet z.B. auch nicht zwischen dem Nutzen, den ein Tierversuch bringt, der für die Entwicklung von Medikamenten durchgeführt wird oder dem Nutzen eines Tierversuchs, der die landwirtschaftlichen Produktionsbedingungen verbessern will. Von der Wissenschaft und Industrie werden wesentlich fundiertere Analyse- und quantitativ messbare Bewertungsmethoden angewendet. Das Wissenschaftsministerium hat davon offenbar noch nichts wahrgenommen. Der Begutachtungsentwurf zum Kriterienkatalog verlangt eine Zuordnung des Versuchsprojekts zu einem der in § 5 aufgelisteten zulässigen Tierversuchszwecke und verbindet diese Zuordnung jeweils mit dem Erfordernis einer Beschreibung des aus dem Versuch erwarteten Nutzens. Für den Fall, dass der Versuchszweck der Grundlagenforschung zugeordnet wird, soll offenbar jeglicher „Erkenntnisgewinn“ als Platzhalter für den dann mangels näher spezifizierbarer Zielsetzung auch nicht näher bewertbaren Nutzen fungieren. Dadurch erscheint gar die Möglichkeit eröffnet, immer dann, wenn ein Nutzen schwer argumentierbar ist, einfach den Ausweg über die Zuordnung zur Grundlagenforschung zu wählen und das Versuchsprojekt damit im Ergebnis der Notwendigkeit einer gehaltvollen Nutzenbewertung zu entheben. Dies entspricht nicht den Anforderungen des geltenden Tierversuchsrechts. Wir haben daher massive Bedenken und Einwände gegen den vorliegenden Entwurf zu einem Kriterienkatalog, dass wir diesen ablehnen müssen. Denn der vorliegende Kriterienkatalog listet lediglich Fragen hinsichtlich des voraussichtlichen Nutzens und des voraussichtlichen Schadens eines Tierversuchsprojekts auf, liefert aber kein wissenschaftlich abgesichertes objektives Bewertungsschema bzw. -system mit, welches erst die Relevanz der Fragen/Kriterien und ihr Verhältnis zueinander bestimmt und die Transparenz und Objektivität der Beurteilung des Schadens und des Nutzen sowie eine Abwägung und eine einheitliche Durchführung erst gewährleistet, wie Art. 38 Abs.4 der Richtlinie 2010/63/EU (Stichwort „Transparenz“) und § 31 Abs. 4 des Tierversuchsgesetzes 2012 (Stichwort: Objektivierung) vorsieht. Nur ein Kriterienkatalog mit einem wissenschaftlich abgesicherten, objektiven Bewertungssystem, das transparent, nachvollziehbar und einheitlich anwendbar ist, macht Sinn. Das in den Erläuterungen angegebene Ziel, die „Verbesserung der Objektivität, Transparenz und Einheitlichkeit von Schaden-Nutzen-Analysen im Rahmen der Genehmigung von Projekten nach dem Tierversuchsgesetz“, wird daher mangels eines verbindlichen Bewertungssystems nicht erfüllt. Es ist wirklich erschütternd, dass für die österreichische Politik und Wirtschaft im Tier- und Umweltschutz Ethik keinen Stellenwert mehr besitzt. Wir müssen daher feststellen, dass die Tiere immer mehr gewinnoptimierend ausgebeutet und gequält werden können, da die tierschutzrechtlichen Gesetze und Verordnungen ohne Strafverfolgung umgangen bzw missachtet werden können. Gibt es überhaupt noch einen politischen Willen für den Tierschutz in Österreich? Wien, am 9.11.2015 Lucie Loubé Tierschutzverein Klosterneuburg Wien-Umgebung Christine Schiller Tierschutzverein Rettungsring Tierhilfe Österreich


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